VIDEO IN DÜSSELDORF

Ursula Wevers · Georg F. Schwarzbauer

Video in Düsseldorf – Positionsbestimmungen eines Neuen Mediums der Bildenden Kunst

Untersuchungsfelder des unmittelbaren Erlebnisbereiches.
Hinweise auf das Kollektive im Individuellen.

Wie gering der Anlaß zur Überschwenglichkeit gerade in unserer Gegenwart ist, hat Werner Schmiedel in seinem Videotape “Sieben Gärtner in der Wüste” überzeugend nachgewiesen. Ein Band, dem in diesem Zusammenhang doppelter Stellenwert zukommt, reflektiert es doch vergleichbar einem “persönlichen Essay” Einstellungen des Theaters. “Sieben Wochen Probearbeit der Theatergruppe Nanaqui am Theater am Turm in Frankfurt/Main während des heißen Herbstes” (Kampf um die Startbahn West) an der Inszenierung des Stückes: “Nie wieder Pentesilea” von Gerald Uhlig, frei nach Heinrich von Kleist, werden dem Betrachter vorgeführt. Vergleichbar einem Protokoll wird das Geschehen vor dem Betrachter ausgebreitet. Und wenn dieses Videotape auch ganz sicherlich eher filmischen Bereichen verpflichtet ist, so sollte es dennoch als Schlüsselwerk gesehen werden. Zugeordnet der Reihe “Unterwegs in Deutschland” dokumentiert es brennpunktmäßig die fließenden Grenzen zwischen Theater und Wirklichkeit, zentriert es die kaum vorstellbaren Spannungsfelder auf einen gemeinsamen Nenner. “Sieben Gärtner in der Wüste” könnte als ein beispielshafter Beleg für die in der Theaterdiskussion noch lange nicht abgeschlossene Artaud-Problematik angesehen werden. Es sind die Bilder der Grausamkeit des Alltäglichen, die das Erschrecken ausmachen. Es ist die extreme Unduldsamkeit der Außenwelt, die jäh über die Innenwelt, die Gruppe, das Einzelwesen hereinbricht und jede persönliche Statik zu zerstören droht. Es sind vor allem “die Geschichten im Kopf des Zuschauers”, die eine fast unbeschreibliche Beklemmung auslösen. Der im Videotape dokumentierte Ort der Handlungen, er läßt sich eigentlich treffender als Tatort charakterisieren, wird zum Prüfstein des Ereignishaften. Eines Ereignishaften, das Werner Schmiedel seinen Betrachtern als unmißverständliche Identifikationshilfe anzubieten gewillt ist. Sein Statement zum Video/Film “Unterwegs in Deutschland” formuliert diese Absicht überaus präzise.

“Bilder und Töne zusammensetzen, die meine eigenen Erfahrungen und Erlebnisse wiederspiegeln. Dem Zuschauer Freiräume zugestehen für eigene Assoziationen. Es entsteht keine erzählende Handlung im konsumierbaren Kinoerzählstil (= eine komprimierte Handlung auf eineinhalbstunden Kinowirklichkeit, welche mit der Wirklichkeit nur bedingt identisch ist), sondern ein Ausschnitt meiner erlebten Wirklichkeit, die den Betrachter befähigt, seine eigenen Geschichten mit der nun stattfindenden Monitorwirklichkeit in Einklang zu bringen.”

Das Zugestehen der Freiräume des Betrachters bedingt einen eigenen Erzählstil, der ohne Zitate nicht auskommen wird. Denn es ist gerade das Zitathafte, das sich dem Betrachter am wenigsten verschließt, das ihn zu Rückfragen auffordert. Eingebettet zwischen den abrufbaren durch die offiziellen Medien vorprogrammierten Heile-Welt-Bildern und dem subjektiven – so ist es für mich gewesen, so habe ich es empfunden -, pendelt sich das beobachtende Urteil des Betrachters ein. Das suggerierte Reale wird plötzlich als künstlich empfunden, das vom Künstler formulierte als real. Es sind die Fakten der Egofestlegungen, die unsere Zweifel an präfabrizierten Vorstellungsinhalten auslösen. Zweifel, die dem Rezipienten in vielschichtigster Weise aufkommen mögen, die prägend sein Erinnerungsvermögen bestimmen.

Die Austauschbarkeit der Bilder (Töne) von der Werner Schmiedel in seinem Statement spricht, entsteht in den Pausen der Rezeption. Das vermittelte schöpferische Weltbild verdichtet sich in den Phasen des sich ausruhenden Auges. Neues wird durch die Erinnerung begriffen. In Umkehrung der gewohnten Verhältnisse, an die der Durchschnittsrezipient fast bedingungslos zu glauben geneigt ist, läßt sich eine ungewohnte Orientierung ausmachen. Das Ungewohnte der gebotenen Bilder kann sich so sehr auf die Sehgewohnheiten des Betrachters übertragen, daß er das durch die Kunst erfahrende auch in der Realität zu sehen meint. Schmiedels Schlusseinstellung zum Videotape “A Solo Walk” kann auch die Seine sein; mein Auge ist die Kamera. Ein derartiges abschließendes Statement ist umso bedeutender, als es eine Vielzahl von Bildern zu erklären vermag, die immer mehr auswuchern und wie ein unendlicher Multiplikator wirken. Dem Spiel der Bilder, vom Künstler aus gesehen ein sehr mühevolles und anstrengendes Spiel, das von spartanischer Einfalt zu überquellender Vielfalt reicht, entspricht der Duktus der vermittelten Aussage. Mit zunehmender Dichte in den Bildfolgen steigert sich auch die rein physisch/psychische Intensität. —Georg F. Schwarzbauer


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